DIE ARGONAUTEN
Vor langer Zeit waren die kleinen, geschliffenen Kieselsteine des Strandes „delle Ghiaie“, die wir heute noch vorfinden, alle von weißer Farbe. Apollonio Rodio berichtet, dass die Argonauten, als sie auf der Suche nach dem goldenen Vlies auf Elba anlegten, sich den Schweiß mit den Steinchen trockneten, welche sie auf dem Strand „delle Ghiaie“ fanden. Seither, so will es die Legende, sind die weißen Steinchen mit graublauen Tupfern versetzt. Die fabelähnliche Erzählung ist ein typisches Beispiel einer Überlieferung der Episoden der Klassiker (Exodus, Sophokles, Herodot, Strabon und andere) des Volksmundes, zeigt aber auch die Verbindung mit dem außergewöhnlichen Fund aus den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts von Schiffswracks, die auf der Höhe der „le Ghiaie“ unter Wasser liegen, und die Existenz eines mythischen Hafens Argivo auf Elba bezeugen sollen.
DIE LEGENDE DER GROTTEN
Die Prinzessin Alba und der tapfere Ritter Sabino, in gegenseitiger leidenschaftlicher Liebe, die behindert werden sollte, baten die Göttin Venus um Schutz. Diese empfahl ihnen die Insel Elba als sicheres Refugium, wenn, so die Bedingung, im Wohnhaus der beiden ein ihr geweihter Altar stehen sollte. Da die jungen Leute dies vergaßen, ließ Venus Sabino aus Rache das Gedächtnis verlieren. Von da an soll dieser wie ein Irrer durch die Insel gestreift sein, und Alba soll sich, den Namen des Geliebten vergeblich rufend, am Ort ihres gemeinsamen, verlorenen Glücks verzehrt haben. Man erzahlt sich, dass ihre Bittrufe bis heute zwischen den Überresten des römischen Wohnhauses bei den Grotten von Portoferraio hörbar seien.
SINAAM UND DIE APPIANI
Rio nell’Elba ist der Ursprungsort der Geschichte der Frau aus Grassera, während eines Angriffs der Berber geraubt, welche Liebling des Sultans Delasman wurde und diesem den Sohn Sinaam gebar. Der Junge wurde später unter mysteriösen Umständen vom Prinzen Giacomo V Appiano adoptiert. Der grausame Korsar Khayr al-Din, bekannt als Barbarossa, kam im Auftrag des Sultans mit seiner Flotte in den Golf des antiken Ferraia (Portoferraio) und verlangte vom Prinzen die Herausgabe des jungen Sinaam. Nachdem er eine Abfuhr erhalten hatte, ließ er Raubzüge und Massaker veranstalten, bis er den Jungen wiederbekam.
DIE MÄDCHEN VON LUCERI
Portoferraio gegenüber gab es ein Schloss mit dem Namen Luceri, das der schreckliche Barbarossa während einem seiner Raubüberfälle vernichtete, indem er den Schlossherrn, einen noblen Ritter und Vater von fünf Töchtern, niedermetzelte. Es wird erzählt, dass die Mädchen in Hoffnung auf Rettung lange herumirrten, um endlich, todmüde, Hand in Hand ihrer eigenen Spur nach wieder dorthin zurückzugehen, wo sich das Schloss befand. Plötzlich durchschnitt ein Schrei die Nacht: es war wieder ein Korsarenschiff zu sehen. Verängstigt wollten sie die Flucht ergreifen, aber die Älteste glitt auf einer hohen Klippe aus und stürzte zusammen mit ihren Schwestern ins Meer. Noch heute kann man abends, wenn die Bucht vom Mondschein erleuchtet ist, die Girlande der auf dem Meeresgrund weinenden Jungfrauen erspähen.
DIE LEGENDE DER INNAMORATA
Die Hauptpersonen dieser Legende aus der Zeit der Überfälle der Berber sind zwei Verliebte. Er, Lorenzo, wurde während der Traubenlese von Piraten am Strand festgenommen. Maria, die ihn zu befreien versuchte, fiel ins Meer und wurde von den Wellen weggespült. Nur gerade ein blauer Schal hat das Meer von ihr zurückgegeben und von diesem Tag an wird diese Stelle „L’Innamorata“, die Verliebte, genannt.
DER SCHATZ VON PORTO AZZURRO
Die Bewohner von Porto Azzurro leben in der Hoffnung, dass die Strudel des Meeres die Schätze, welche der Überlieferung nach dort untergegangen sein sollen, wieder an die Oberfläche bringen. Das spanische Schiff „Polluce“ soll nämlich, mit wertvollen Gegenständen und Kunstwerken, welche Ferdinando IV, König von Neapel, sein Schicksal ahnend in Sicherheit bringen wollte, in der Bucht gesunken sein. Die Schiffbrüchigen erzählten Wunderbares über die gesunkenen Schätze, was dazu führte, dass diese im Gerede im Laufe der Zeit eine gigantische Größe erreichten… Seither wurden verschiedene Versuche zu deren Bergung unternommen, diese blieben aber vergeblich; das Meer hat nichts wieder hergegeben.
ELBAS KANARIENVÖGEL
Vor 1600 existierten die Kanarienvögel einzig in Spanien, welches, um sich das Monopol zu sichern, nur mit männlichen Exemplaren handelte. Eines Tages jedoch, etwa um das Jahr 1550 herum, erlitt ein spanisches Schiff vor den Küsten Elbas, zwischen Marina di Marciana und Procchio, Schiffbruch. Es war mit männlichen und weiblichen Kanarienvögeln beladen, welche alsdann im milden Klima der Insel, demjenigen der Kanaren ähnlich, nisteten und sich fortpflanzten.
BEATO LEONARDO
Im Jahr 1792 begab sich der Mönch Beato Leonardo nach Portoferraio, wo er gegen die Gotteslästerung predigte. Auf seinem Weg durch die Strassen forderte er die Leute zu einem Lebenswandel gemäß christlicher Moral auf. An die Häuser, in die sein Wort Eingang fand, schrieb Leonardo die Zeichen I.H.S. So der Ursprung und die Bedeutung dieser Zeichen, welche noch heute auf vielen Mauern Portoferraios zu sehen sind.
DER MAGIER CHIÒ
Wer war der Magier Chiò? Es war einer jener Verrückten, welche auf dem Land ‚allocco’, Tölpel genannt werden. Er wollte um jeden Preis berühmt sein und schrieb seinen Namen deshalb in Plakatschriftgröße auf die höchsten Mauern, Leuchttürme, Befestigungsbauten und Burgen. Er lebte von kleinen Diebstählen auf dem Land und Räubereien, wo immer er aber hinging, um zu stehlen, kündigte er seine Ankunft mit einem Trompetenstoß an. Die Bauern ließen ihn gewähren…
DER VETERAN VON ARCOLE
In San Piero lebte ein Heimkehrer der Armata d’Italia mit seiner Adoptivtochter Maria, der während der Schlacht von Arcole erblindet war, und dem Napoleon die Beförderung vom Feldsoldaten zum Leutnant auf dem Schlachtfeld in Aussicht gestellt hatte. Die Beförderung war aber nie eingetroffen, worüber der Soldat Groll verspürte.. Das Mädchen wollte dem alten Vater eine Freude bereiten und schaffte es unter großer Mühsal, in Portoferraio eine Leutnantuniform und ein gefälschtes Dokument zu bekommen, das die Beförderung bezeugte, was dem Alten Ehre für seinen Verdienst war und ihn wieder lebenslustig machte. Als Napoleon während seinem Exil auf der Insel und anlässlich eines Besuchs in Marina di Campo von dieser Sache Kenntnis bekam, beschloss er, dem alten Heimkehrer einen Besuch abzustatten. Das Mädchen, um seinen Schwindel bekümmert, ging dem Kaiser entgegen und eröffnete ihm seine Tat. Dieser versprach ihr, die mitleidsvolle Lüge zu beheben, sobald er wieder in Frankreich sei. Das Gedächtnis des Heimkehrers verlor sich aber im Sturm seines kurzen Wiederauflebens.